Julian und die Mikrofortschritte

Wir haben ja auch einen großen Sohn. Gerade in den ersten Jahren kann man ja fast dabei zugucken wie rasant Kinder sich entwickeln. Vom Umdrehen zum Robben – dann kommt der Popo hoch und bald wird losgekrabbelt. Irgendwann klappt das Hochziehen und Stehen und schließlich die ersten unvergessenen Schritte. Bei Bjarne ganz klassisch mit einem Jahr erst von Mama zu Papa und wider zurück. Ein auf immer unvergessenes Erlebnis. Dementsprechend wird der Babywagen zum Jogger umgebaut, dann reicht ein Buggy und bald zieht man ganz ohne los. Das ganze passiert innerhalb der ersten 2 Jahre. 
Im Vergleich dazu ist die Entwicklung von Julian im Slowmotion. Aber auch er hat seine Entwicklungsschübe. Und auch er ist wie andere Kinder frustriert und durch den Wind, weil irgendwas nicht so geht wie er sich das vorstellt. Und auch bei ihm müssen von Zeit zu Zeit Rehabuggy, Autositz und Therapiestuhl auf seine neuen Fähigkeiten angepasst werden. Nur halt in viel größeren Abständen.

Julian ist jetzt 2 Jahre und 10,5 Monate alt – korrigiert (wegen der Frühgeburt): 2 Jahre und 8 Monate. Bisher kann er sich drehen und er versucht auf dem Bauch seinen Popo in die Höhe zu schieben. Gerade im Bett tobt er mittlerweile ziemlich rum, rollt sich überall hin und liegt quer im Bett. Da muss man höllisch aufpassen, dass er sich nicht irgendwo so verkeilt, dass er nicht selber wieder rauskommt oder sich bei seiner „Toberei“ die Kanüle zudrückt oder rausreißt. Gut, dass immer seine „Aufpasser“ in der Nähe sind….

Wenn man ihm hilft, schafft er es kurz im Vierfüßlerstand zu bleiben. Gerade in den letzten Wochen ist seine Kopfkontrolle immens besser geworden. Hat man ihn auf dem Arm, schafft er es tatsächlich den Kopf selber zu halten. Und er findet es großartig zu sitzen. Das klappt mit Unterstützung, da er sonst zur Seite kippt. Aber kurzzeitig schafft er es Rücken zu stecken und den Kopf zu halten. 

Eine besonders große Baustelle sind seine Arme. Anfangs konnte er sie gar nicht bewegen und hatte sie immer nur neben seinem Körper liegen. Die Entwicklung erfolgte wirklich in Mikromikroschritten. Mittlerweile kann er seine Hände öffnen und schließen und er hält auch kleine Gegenstände fest (mit Vorliebe seine PEG oder knisternde Katheter). Außerdem schafft er es seine Arme anzuwinkeln – etwa 90 Grad schafft er schon. Neulich hat er tatsächlich versucht sie weiter anzuwinkeln und mit seinen Fingern den Mund zu erreichen. Es hat noch nicht geklappt und Julian übt weiter. Das ist wirklich richtig richtig toll, dass er da schon so weit ist. Gerade weil das anfangs gar nicht danach aussah. 

Zusätzlich hat er ein paar Special Fähigkeiten: dadurch dass auch seine Augenmuskulatur betroffen ist, hat er Schwierigkeiten die Augenlider immer aufzuhalten bzw. auch richtig zu schließen oder zu blinzeln. Wenn er entspannt ist, kann er die Augen auch mal komplett schließen und es gibt auch Situationen, wo er einen plötzlich mit beiden Augen anschaut und die Augenlider für einen Moment halten kann. Alle andere Zeiten hat er sich einen Trick überlegt: Er nutzt alles, was in Reichweite ist, um sich das Augenlid aufzuziehen. Das sieht dann so aus, dass er sich zum Beispiel im Autokindersitz an der seitlichen Kopfstütze das linke Augenlid aufzieht. Sieht etwa komisch aus, aber er ist total happy, dass er gucken kann. Und damit beäugt er seine Umgebung. Das ist schon echt drollig. Im Bett hat er eine Stoffschlange liegen, da kann er das auch. Im Rehabuggy klappt es auch und für den Therapiestuhl bekommen wir noch eine andere Kopfstütze, damit er sich da nicht mehr den Kopf total nach links verdrehen muss. Und wenn man mit ihm auf dem Boden sitzt, kann es passieren, dass er heran gekugelt kommt und auch am Knie das Auge aufzieht und dann guckt das Kullerauge einen an. Echt süß!

Ein weiterer Specialeffekt ist, dass er es schafft sich zu drehen, ohne die Arme zu benutzen. Gar nicht so einfach. Stellt euch vor, dass eure Arme mehr so wie nasse Waschlappen an der Seite baumeln. Legt euch auf den Rücken und versucht dann euch auf den Bauch und wieder zurückzudrehen. Kein einfaches Unterfangen. Julian hat da aber eine ziemliche Geschwindigkeit drauf.  

Und ein Kracher ist uns vor ein paar Wochen aufgefallen. Er war schon seit einiger Zeit ziemlich meckrig, wenn die Pampers voll war. Er hampelt dann so lange rum, bis man sie gewechselt hat. Wir haben es dann einfach mal getestet und ihn mit Verkleinerung auf die Toilette gesetzt. Und siehe da: es funktioniert!! Es klappt nicht immer, da es halt schwierig ist, ihn zu verstehen. Manchmal ruckelt er mit dem Popo rum, so dass man das Gefühl hat, dass er Bescheidsagen möchte. Passt aber nicht immer. Wir haben jetzt erstmal feste Zeiten, zu denen wir ihn auf Toilette setzen und damit haben wir eine Erfolgsquote von etwa 80 Prozent. Man traut ihm das gar nicht zu, wenn man ihn so sieht. Aber daran sieht man mal wieder, dass er mehr kann als man ihm auf den ersten Blick zutraut. Wir brauchen jetzt nur noch eine bessere Kommunikation. Man merkt schon, dass er frustriert ist, wenn man ihn nicht versteht. Da müssen wir mal ran. 

So mal der kleine Überblick zu seinem aktuellen Stand. Fragt gerne, wenn euch etwas interessiert. Für uns ist vieles Normalität geworden, so dass wir oft vergessen, es zu erwähnen. Also gerne: Feuer frei!