Der Umgang mit Katastrophen

Jeder, der unsere Geschichte ein bisschen verfolgt, weiß sicherlich, dass wir mit unserem Sohn Julian einen sehr unglücklichen Start in sein Leben hatte. Julian ist im Oktober 2013 unerwartet 10 Wochen zu früh zur Welt gekommen. Wir waren damals wegen einer Hochzeit in Hamburg und sind so in der Altonaer Kinderklinik gestrandet. Die Schwangerschaft mit Julian war unauffällig und somit hat uns die nachfolgende Zeit absolut überrannt. Julians Frühgeburt war gar nicht das Hauptproblem, sondern eine ungeklärte Erkrankung von ihm, die Ende November 2013 in der Aussage endete, dass Julian maximal 2 Jahre alt wird. Glücklicherweise hat es sich nicht bestätigt und Julian ist mittlerweile 6,5 Jahre und wuselt sich weiter durchs Leben.

Vergessen ist diese Anfangszeit allerdings nicht und in den Wochen der Unsicherheit damals sind wir mehr als einmal an unsere Grenzen gekommen. Nun erkennen wir einige Parallelen zur Situation mit den Einschränkungen bzgl. des Coranavirus:

  • Es brach plötzlich eine unvorhersehbare Situation auf uns ein, bei der nicht klar war, wie, ob und wann sie endet.
  • Sämtliche Pläne, Träume, Wünsche und Vorstellungen, die wir von der nächsten Zeit hatten, lösten sich plötzlich ins Nichts auf.
  • Jeden Tag kamen neu Hiobsbotschaften dazu und wir haben uns gefragt, wie viele davon wir noch verkraften können. Bei jeder neuen Meldung gab es neue Facetten, die wieder eine Veränderung zur Folge hatte.
  • Selbst die besten Spezialisten konnten keine treffenden Vorhersagen machen, wie es weitergeht.

Mittlerweile hat sich vieles bei uns eingespielt und es ist längst nicht so schlimm eingetreten wie befürchtet. Im Gegenteil, es sind z.B. mit der Gründung unseres Pflegedienstes Team DAVID neue positive Aspekte mit rein gekommen.

Insgesamt erleben wir die aktuelle Situation wegen des Coronavirus als wesentlich weniger bedrohlich als die Zeit damals. Dennoch weist sie tatsächlich Parallelen auf, so dass wir uns überlegt haben, was uns damals geholfen hat und was nun auch hilft. Hier also unsere Tipps – ergänzt um ein paar Anregungen speziell für die Corona-Situation:

  • Versuche im aktuellen Moment zu leben. Draußen scheint die Sonne und der Frühling erwacht in einer unglaublich schönen Weise. Nimm das an und genieße z.B. die frische, klare Luft.
  • Lebe von Tag zu Tag. Überlege genau, was heute wichtig ist. Kümmere dich nicht darum, was morgen evtl. sein könnte. Das sind alles ungelegte Eier und vermutlich kommt es eh wieder ganz anders als du es dir heute ausmalst. Bleibe bei diesem heutigen Tag und gestalte ihn so, wie er für dich angenehm ist.
  • Nutze die evtl. freigewordene Zeit, die liegen gebliebenen Aufgaben zu Hause zu erledigen – dein Schrank oder Keller freut sich bestimmt. Lies Bücher, die du schon immer mal lesen wolltest. Pack Spiele und Handarbeiten aus, die seit Jahren in der Ecke liegen. Nutze die Online-Angebote, die jetzt überall aus dem Boden sprießen.
  • Lies und höre und gucke auf jeden Fall nur seriöse Informationen. Kümmere dich nicht um irgendwelche Fake-News. Das führt zu gar nichts und macht dich nur unruhiger.
  • Aber: Mach auch genügend Pausen. Lies nicht ständig alle Nachrichten, Pressekonferenzen und Podcasts, die es zu dem Thema gibt. Sonder lege alles immer mal wieder bewusst an die Seite und genieße den Moment.
  • Erstelle dir einen Tagesplan, um den Tag für dich und deine Familie gut zu strukturieren. Plant für jeden die Ruhephasen ein, die er benötigt, damit ihr keinen Lagerkoller bekommt. Plant Zeiten draußen und mit Sport ein.
  • Haltet euch an den Plan! 🙂
  • Halte dir vor Augen, dass es sich wieder verändern wird. Auch wenn wir uns aktuell nicht vorstellen können, wie es nach dieser Krise weitergeht. Eins ist sicher: Es geht weiter. Immer wieder. Jeden Tag geht die Sonne wieder auf und es beginnt ein neuer Tag.

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Tag!

 

 

Beatmungsgerät

Wenn ich abends an der Zimmertür meines Sohns vorbeikomme, höre ich das leise regelmäßige Fauchen seines Beatmungsgerät. Für mich ist das mittlerweile ein sehr beruhigendes Geräusch. Dann weiß ich, dass er ruhig und tief schläft und die Beatmung zulässt. Für ihn ist das Gerät lebenswichtig, da er nur durch diese Ruhephasen in der Nacht, tagsüber so aktiv sein kann, wie er ist: Rollifahren; bis gestern in den Kindergarten gehen; Keyboard spielen; mir über den Fuß fahren, wenn ich ihm keine Bilder auf dem Handy zeige; immer wieder versuchen, die Figuren auf die Toniebox zu stellen; seinen Bruder anfauchen, weil der den Fernseher nicht schnell genug anmacht usw.

Dass das Geräusch nun so beruhigend für uns ist, war früher natürlich nicht. Als Julian geboren wurde – im Oktober 2013 – konnte er quasi gar nichts. Er kam 10 Wochen zu früh auf die Welt und hatte diverse Probleme. Er wurde von Beginn an beatmet und im Alter von 7 Wochen bekam er sein Tracheostoma – ein Schnitt in die Luftröhre, in die eine Kanüle gelegt wurde. Über diese Kanüle wurde er damals 24 Stunden lang voll beatmet. Das Geräusch des Krankenhaus-Beatmungsgerät war nicht so beruhigend. Ehrlich gesagt, mochte ich es nicht besonders, weil es mir gezeigt hat, dass mein Sohn die vermeintlich einfachste Sache des Lebens nicht konnte: Atmen.

Sobald das Beatmungsgerät abgemacht wurde oder sich Sekret im Hals gebildet hat, gingen schlagartig seine Herztöne und Sauerstoffsättigung herunter. Das hatte diverse Piepgeräusche vom Monitor zur Folge. Und ich erinnere mich auch noch zu gut an das hektische Getrappel der Füße sowie die knappen Rufe „Notfall in 1“ der Pfleger und Ärzte auf der Station.

Noch heute kenne ich jedes Geräusch von der Intensivstation. Mittlerweile schocken sie mich nicht mehr. Wir haben insgesamt 5 Monate auf zwei verschiedenen Intensivstationen verbracht und auch danach waren wir diverse Male da.

Was ich aber noch sehr genau weiß, ist das Gefühl, wenn man vor der Intensivstation steht. Dort standen wir viele, viele Male. Du klingelst, du wirst rein gelassen und du versuchst direkt anhand der Gesichter der Pfleger und/oder Ärzte herauszufinden, wie es deinem Kind kennt. Leider hatten wir – gerade zur Anfangszeit – sehr, sehr oft, besorgte Blicke der Pfleger/Ärzte und auch einige Male fast hilflose Blicke, weil niemand wusste, ob und wie es mit Julian weitergehen kann. Und die vielen Situationen, bei denen Julian echt kurz davor war, es nicht zu schaffen, können wir kaum noch aufzählen. Gerade die ersten Wochen waren eine absolute Achterbahnfahrt.

Ganz ehrlich – ich wünsche diese Erfahrung wirklich niemanden! Ein Beatmungspatient auf einer Intensivstation ist kein Spaß. Ja, wir haben viele Möglichkeiten in unserem Gesundheitssystem und wir haben wirklich viele wundervolle Menschen, die einen grandiosen Job machen und tagtäglich das Leben von Menschen retten. Aber wenn wir nur einen einzigen Menschen davor bewahren können, diese Erfahrung zu machen, dann sollten wir das tun!

Also: Bleibt möglichst zu Hause, wascht euch die Hände und kümmert euch um die, die eure Hilfe brauchen.

Julian im Fernsehen

Wow! Das war wieder eine spannende Woche. Letzten Freitag habe ich einen Beitrag zum Corona-Virus verfasst Julian und Corona – ein Aufruf und diesen auch bei Facebook veröffentlicht. Ich habe mich sehr gefreut, dass der Beitrag so gut angenommen wurde und zum aktuellen Zeitpunkt über 500 Mal geteilt wurde! Wahnsinn!!

Durch den Beitrag wurde eine Journalistin von SAT1.NRW auf uns aufmerksam. Sie schrieb uns am Wochenende an und fragte an, ob wir bereit wären bei einem Fernsehbeitrag mitzuwirken. Da wird im letzten Jahr schon ein paar Mal im Fernsehen waren, haben wir eingewilligt. Es klappte dann auch sehr spontan und wir verabredeten uns bereits für Montag. Wir sind erst ins Büro und haben dort unser Regal mit den Desinfektionsmitteln gefilmt.

Glücklicherweise haben wir aktuell noch genügend Desinfektionsmittel. Allerdings haben wir festgestellt, dass unser Lieferant die Preise stark erhöht hat!! Da haben wir echt nicht schlecht gestaunt. Eine 500-ml-Flasche Desinfektion kostete bis vor 2 Wochen um die 3 € – nun geht sie für 28 € über den Tisch.  Glücklicherweise haben wir sie noch für den alten Preis bekommen. Der Paketbote, der das Paket brachte, wusste vermutlich nicht, welche kostbare Fracht er dort mit gebracht hat. Früher hatte man Sorge, dass das iPhone-Paket geklaut wurde – heute ist es Desinfektionsmittel. Es ist echt verrückt.  Mittlerweile weist unser Lieferant sogar auf seiner Webseite auch daraufhin, dass es nicht sinnvoll ist, Unmengen an Desinfektion zu kaufen.

Was uns allerdings tatsächlich bald ausgeht, ist der Mundschutz. Und da sind wir nicht die einzigen – auch die Krankenhäuser vermelden geringere Bestände und Nachschubprobleme. Der Mundschutz schützt ja nicht die Pflegefachkraft, die ihn trägt vor dem Virus, sondern den Patienten – in diesem Fall Julian -, dass er nicht angesteckt wird. Übrigens egal mit welchem Keim. Wir vermeiden ja auch, dass Julian eine Erkältung oder die normale Grippe oder ähnliches bekommt.

Den Großteil der Dreharbeiten fanden bei uns zu Hause statt. Die Journalistin hat erst Philipp und mich interviewt. Nach unserer Erfahrung im letzten Jahr wussten wir ja schon, dass wir beim Antworten nicht in die Kamera schauen sondern die Journalistin anschauen. Es ist dennoch immer wieder sehr ungewohnt, den Sachverhalt vernünftig darzustellen.

Als Julian um kurz vor 16 Uhr aus der KITA zurückkam, gab es noch Bilder und kleine Videos mit ihm zusammen. Und auch Steffi (unsere Pflegefachkraft) wurde noch mit Bild und Ton aufgenommen. Um etwa 16.15 Uhr war alles im Kasten. Die Journalistin musste sich nun ganz schön sputen, weil der Beitrag schon um 17.30 Uhr laufen sollte. Es hat aber ganz offensichtlich geklappt. Den Beitrag zum Nachschauen findet ihr hier: SAT1NRW

Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie der endgültige Beitrag ist. Die Journalistin war ja fast 2 Stunden da, hatte so ungefähr 20 Minuten Videomaterial und am Ende kommt ein 2-Minuten-Beitrag dabei heraus. Wir sind insgesamt aber sehr zufrieden mit dem Beitrag und hoffen, dass er ein bisschen zur Aufklärung zu diesem Thema beiträgt.

Wir haben mittlerweile schon einige Angebote wegen Desinfektionsmittel erhalten. Das ist wirklich superlieb. Aktuell haben wir aber noch genug! Wir würden uns melden, wenn es bei uns oder bei den von uns betreuten Kindern leer wird. Wir warten erstmal ab, wie es sich entwickelt.

Julian selber hat sich den Beitrag gestern schon drei Mal angeschaut. Wir hatten den Eindruck, dass er es echt toll findet, sich selber im Fernsehen zu sehen. Und unser großer Sohn Bjarne ist natürlich eh sehr stolz, dass wir wieder im Fernsehen waren. Dieses Mal war er nicht mit im Bild. Bei einem Beitrag im letzten Jahr hat er auch selber etwas gesagt.

Falls euch die Beiträge aus dem letzten Jahr interessieren, könnt ihr hier mal schauen:

http://bit.ly/TD-WDR

http://bit.ly/TD-MoMa

http://bit.ly/TD-SAT1

http://bit.ly/TD-FAKT

 

Julian und Corona – ein Aufruf

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Das bin ich (Kathrin) mit meinem Sohn Julian.

Julian hat aufgrund seiner Muskelkrankheit ein Tracheostoma. Das ist quasi ein Loch in der Luftröhre, in dem eine Kanüle steckt. Über diese Kanüle atmet er, wird zeitweise mit einer Maschine beatmet und es wird mehrmals täglich Sekret abgesaugt. Durch das Loch hat er also einen direkten Zugang zu seiner Lunge. Im Normalfall ist der Zugang mit einem Filter geschützt. Das ist das weiße Teil, das man auf dem Foto am Hals sieht. Man nennt es auch „feuchte Nase“ und es übernimmt die Filterfunktion, die sonst die Nase übernimmt. Alles schick. Normalerweise…

Nun ist es aber so, dass der Filter ab und an herunterfällt (manche halten einfach nicht… 😏), er sich das Teil herunterzieht (Julian ist halt ein Kind 😅) oder von unseren Pflegefachkräften 👩‍⚕️👨‍⚕️ abgenommen wird, um Sekret abzusaugen oder um zu inhalieren. Dieses Absaugen ist überlebenswichtig für ihn. Sitzt die Kanüle zu, kann er nicht atmen und was dann passiert, könnt ihr euch denken. Falls nicht, haltet einfach mal mehrere Minuten die Luft an….

Sobald der Filter abgenommen ist, besteht also wirklich ein ungeschützter Zugriff auf seine Atemwege. Sämtliche Keime – Bakterien, Viren – können dann ungehindert in seine Lunge kommen. Daher ist es WIRKLICH IMMENS WICHTIG, dass dieser Vorgang steril abläuft. Dazu benötigt man – oh Überraschung – Desinfektionsmittel und sterile Handschuhe sowie ggf. Mundschutz 😷, damit unsere Pflegefachkräfte nicht versehentlich Keime an Julian abgeben. Ein einfaches Händewaschen reicht hier nicht aus!! Irgendwie auch logisch oder?

Nach Rücksprache mit unserem Kinderarzt können wir im Moment nicht abschätzen, welche Auswirkung das Corona-Virus auf Julian hat. Einerseits scheinen Kinder eher weniger anfällig zu sein. Andererseits ist Julian aufgrund seiner sonstigen Erkrankungen immunschwächer und durch das Tracheostoma einfach wesentlich gefährdeter. Schon eine normale Erkältung haut ihn um und er reagiert mit Fieber 🤒 und Sauerstoffbedarf.

Also Leute. Lasst die Finger vom Desinfektionsmittel sowie Handschuhe / Mundschutz. Für Kinder wie Julian und viele andere Patienten ist das ÜBERLEBENSWICHTIG. Es reicht, wenn ihr euch normal und vernünftig lange die Hände wascht. Das finde ich übrigens auch ohne Corona schon appetitlicher…

Und dann: Beruhigt euch mal wieder. Julian geht auch weiterhin in den Kindergarten und nimmt am Leben teil. Auch ihn können wir nicht wegsperren. Nur Massenveranstaltungen vermeiden wir tatsächlich und wir desinfizieren uns auch eher mal die Hände. Aber ansonsten machen wir alles wie gehabt.

Eigentlich sind wir diejenigen, die Panik schieben könnten. Tun wir aber nicht. Aus Erfahrung wissen wir nämlich: Es führt zu nichts! Man regt sich über ungelegte Eier auf. Das lohnt sich nie!!

Also einfach mal wieder locker bleiben. Keine Panikkäufe, kein Desinfektionsmittel, nix. Dafür lieber mit Sport, viel frischer Luft und gesunder Ernährung sein Immunsystem auf Vordermann bringen, damit ihr selber gesund bleibt.
Das hat noch einen schönen Nebeneffekt: Je mehr Menschen gesund bleiben, desto geringer ist die Wahrscheinlickeit, dass Kinder/Menschen wie Julian sich anstecken können. ✌️
Vielen Dank! 🙏

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