Free Julio

Die Zeit rast dahin… Mittlerweile ist Julian seinen Gips schon seit 5 Wochen los. Und wir sind immer noch soo unendlich froh. Die Einschränkung, die wir in den insgesamt 78 Tagen waren schon echt immens. Wir hatten ja keinerlei Möglichkeit mit ihm spazieren zu gehen, da er mit dem Gips in keinen Kinderwagen passte. Somit verbrachten wir unsere sonst so geliebten Sonntagsnachmittagsausflüge größtenteil zu Hause. Mit Bjarne sind wir natürlich dennoch immer mal wieder losgezogen, aber so richtig Spaß hat es nicht gemacht. Julian gehört nun mal mit dazu und er hat dann auch gefehlt.

Jetzt können wir wieder! Und das haben wir auch schon ausgenutzt: mit dem Auto, mit dem Kinderwagen und sogar in der Manduca haben wir ihn herumgetragen. Bjarne wollte Julian gerne endlich seine Schule zeigen und da es dort natürlich Treppen gibt, habe ich ihn mir kurzerhand in die Manduca gesetzt und unsere Pflegefachkraft hat sich mit Absauggerät, Notfallset und Tasche bepackt. Bjarne war auch sehr eifrig und Julian musste sich jede Ecke der Schule anschauen, drinnen und draußen, Bjarnes Platz, sämtliche Hefte, usw. Unsere Pflegekraft hat auch nicht schlecht gestaunt, wie toll die Grundschulen mittlerweile aussehen. Ich muss allerdings sagen, dass wir ein besonders schönes Schmuckstück erwischt haben: http://www.lummerlandschule.de. Auf dem Gelände ist auch die KITA, in die Bjarne vorher gegangen ist. Und hier soll Julian auch mal hingehen. Vermutlich gehen wir dieses Projekt noch in diesem Jahr an, aber dafür müssen wir natürlich erstmal einiges klären. Die KITA selber ist da zum Glück total entspannt und offen. Vermutlich wird Julian erstmal nur ein paar Stunden jede Woche gehen (begleitet natürlich von den Pflegekräften) und dann stocken wir das langsam auf. Ich bin sehr gespannt wie er darauf reagiert.

Seit drei Wochen geht Julian ja auch zum Sport. 😉 Ok – nicht ganz. Bjarne geht zum Kindersport und Julian kommt jetzt mit. Er liegt auf seiner Decke und hört dem Tohuwabohu, der in der Sporthalle ist, zu. Wir haben wirklich den Eindruck, dass ihm das gut gefällt. Beim letzten Mal als ich ihm gesagt habe, dass wir wieder zum Sport fahren, hat er fröhlich mit seinem Bein gewippt und wirkte sehr entspannt. Das Wippen des Beines ist auch die ganze Fahrt über geblieben. In der Halle angekommen, hat er sich auf seiner Decker herumgekugelt. Jaha! Das geht auch wieder. Sooooo schön. Es hat ein paar Tage fast Wochen gedauert, aber irgendwann hatte er den Dreh heraus und jetzt wird sich wieder herumgekugelt. Was natürlich zur Folge hat, dass man nochmal mehr aufs Tracheostoma aufpassen muss, damit er sich nicht versehentlich die Kanüle rausreißt. Aber er hat es immer besser raus, sich auch so hinzulegen, dass es nicht drückt. Beim Sport ist Julian natürlich die totale Attraktion für die Kinder. Echt toll wie Kinder sind. Neulich stand ein Mädchen neben Julian:
„Was hat das Baby?“
Ich: „Das ist Julian. Er ist kein Baby mehr, sondern zwei Jahre alt [muss man ja mal direkt klarstellen – auf Baby reagiert Julian ziemlich unwirsch] und er kann sich nicht so richtig bewegen. Darum liegt er halt auf dem Boden.“
– schweigen –
Mädchen: „Und warum?“
Ich: „Das war schon von Geburt an und wir wissen es auch nicht genau.
– wieder schweigen –
Mädchen: „XYZ [ein Name] ist auch 2. Der kann laufen.
Ich: „Ja, das stimmt. Normalerweise kann man mit 2 laufen. Julian kann sich bisher nur drehen.“
Ich glaube, sie hat noch 1-2 Fragen gestellt, bis ihre Mutter loswollte. Schon cool.

Normalerweise sind die Kinder immer hochgradig an Julians Gerätschaften interessiert: der tolle blinkende Monitor, die vielen Kabeln, die Absauge mit dem lauten Brummen, die knisternden Katheter. Beim letzten Mal hat sich ein kleiner Junge – ich denke, er war so knapp 1, aber sehr für Julian interessiert. Erst hat er sich genähert und Julian an der Hand gestreichelt. Ich habe ihn auch gelassen. Damit wurde er mutiger und hat versucht auf Julian drauf zu klettern. Holla! Die Rechnung haben wir aber ohne Julian gemacht. Er hat sich fürchterlich aufgeregt und richtig geweint. Er hat so viel Druck erzeugt, dass er sogar ohne Sprechventil, richtige Geräusche gemacht hat. Einerseits fand ich das natürlich sehr beeindruckend, dass er mittlerweile so kräftig ist, dass wirklich Geräusche entstehen. Das war vor einiger Zeit undenkbar und ich fand es auch gut, dass er sich damit zur Wehr gesetzt hat. Er kann ja nicht weg und ich fand, er hat einen guten Weg gefunden, seinen Unmut zu äußern. Andererseits habe ich ihn natürlich sofort getröstet und der Junge musste sich ein anderes Klettergerüst suchen.

Letzte Woche Mittwoch waren wir wieder zur Kontrolle in Münster. Ein paar Gedanken macht man sich ja schon, ob auch tatsächlich alles in Ordnung ist. Aber die Woche davor waren wir beim Osteopathen und er war zufrieden. Und so hat es sich auch in Münster bestätigt. Beide Hüften stehen so, wie sie sein soll. Und der Doc war sogar ganz überrascht, dass die Hüftpfanne sich schon so gut wieder gebildet hatte. Er war rundum zufrieden. Aktuell ist es noch so, dass Julian die linke (also die ehemals luxierte) Hüfte nicht so gerne bewegt. Anfangs hat es ihm richtig weh getan und er ist bei jeder Berührung, bei jedem Wickeln, bei jedem Umlagern fast in die Luft gegangen. Ich kann mir das schon vorstellen. Wenn die Hüfte, vorher die ganze Zeit draußen war und nach der OP erstmal bewegungsunfähig war, müssen sich sämtlich Sehnen, Muskeln, Knochen usw. erstmal an die neuen Positionen gewöhnen. Aber so langsam wird es besser. Sie ist zwar nach wie vor wesentlich steifer als die rechte Hüfte und er bewegt das linke Bein auch viel weniger, aber sowohl der Osteopath als auch der Doc haben uns bestätigt, dass die Hüfte einfach Zeit braucht und sie ganz sicher immer beweglicher werden wird. Wie schön! Wir machen natürlich weiterhin Physiotherapie und bewegen die Gelenke regelmäßig durch. Bei dieser Baustelle sind wir also auf einem guten Weg.